Leise Seufzer

Geschrieben von Susanne Froemel fuer die Sueddeutsche Zeitung und dort veroeffentlicht am 7ten Juni 2001:
den Text fand ich sehr cool - morgens auf dem Weg zur Arbeit in der Bahn... vor der Arbeit nochmal ganz komplett abgehaengt von der Aussenwelt...

Der Mann wohnt im ersten Stock, Hinterhaus. Es ist nicht mal warm draussen und trotzdem hat der das Fenster weit aufgerissen. In seinem Schlafzimmer raschelt es und knirscht. Ein leiser Seufzer prallt von der Hauswand ab, der einen innehalten laesst. Dann beginnt das Haemmern, erst leise, dann schneller. Es ist ein arbeitsamer Rhythmus, freudlos. Er hat eine Frau in seinem Bett, aber es hoert sich so an, als erledige er im Moment nur irgendeinen Job. Es ist noch nicht spaet, also kann sich niemand beschweren, aber die Geraeusche bringen den Abendlauf aus der Ruhe. Man wird zum Zeugen einer Intimitaet und fuehlt sich deshalb schuldig, obwohl es seine Schuld ist. Er haette ja das Fenster schliessen koennen.

Man wagt keinen Schritt zu tun, denn der Hausmeister hat die kleinen Kastanienfruechte nicht vom Hof gefegt. Sie platzen bei jedem Schritt unter den Schuhen. Aber wahrscheinlich ist ihm egal, dass ihm jemand zu hoert. Manchmal sieht man ihn hier unten an der Muelltonne. Ein grosser Mann mit einem Gesicht wie tausend Faeuste. Er benutzt durchsichtige Tueten mit Henkel, und der Hausmeister beschwert sich manchmal, dass er seinen Muell nicht trennt.

Ein Bein seines Bettes muss zu kurz sein, es gibt den Takt vor. Ein Tanz. Von vier Viertel auf sechs Achtel und wieder zurueck. Er steigert sich zu einer Art Discobeat, unterlegt mit spitzen kleinen Schreien, die von ihr stammen muessen, bis es ploetzlich still ist, ganz unvermittelt. Schliesslich setzt jemand die Fuesse auf den Boden, die Dielen geben knarrend dem Gewicht nach. "Willst Du was trinken?" Seine Stimme schwimmt am Fenster vorbei. Die Schritte entfernen sich kurz, dann laesst er sich auf dem Bett nieder, mit einem kleinen Schlag tickt das Gestell auf den Boden. Vermutlich nimmt sie ihm das Glas aus der Hand.

Sie muss irgendetwas gesagt haben, man hoert ein Murmeln, dann steht er auf. Zumindestens sieht man seinen Schatten. Er sagt: "Nein." Es hoert sich nicht freundlich an, also kann es keine Frage sein, die sie gestellt hat. Sie muss ihn um etwas gebeten haben. Dann hat sie vielleicht gesagt: " Guck doch nicht so", etwas in der Art. Leicht vorzustellen. Wenn er den Meull herunter traegt, hat er im Gesicht einen Mischung aus voelliger Langeweile und Ekel. Vermutlich blickt er jetzt genauso. Er antwortet ihr nach einer kurzen Pause. "Wie gucke ich denn"? Seine Stimme hat einen lauernden Ton angenommen. Es hoert sich an, als sollte sie jetzt vorsichtig sein und ist es nicht. "Ich habe keine Lust", sagt er. Sie muss sich aufgerichtet haben, denn aus dem Fenster ist ihre Stimme zu hoeren wie ein duenner Faden. Sie sagt etwas, das sich anhoert wie "Wir sind uns doch so nah!" Er dreht sich zum Fenster, aber nicht so weit, dass er auf den Hof blicken kann. Er atmet laut. Dann sagt er: "So nah nun auch wieder nicht."

probably © by Susanne Froemel or the Sueddeutsche Zeitung or both; I don't know.
summer-emptiness...


 

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